Der Trichter

Der Trichter

Dort, wo heute die markanten Tanzenden Türme und das Arcotel Onyx das Tor zur Reeperbahn markieren, befand sich über anderthalb Jahrhunderte hinweg ein legendärer Ort der Unterhaltung: der „Trichter“. Er gab der Straße „Beim Trichter“ ihren Namen und prägte das Vergnügungsleben St. Paulis nachhaltig.

Errichtet wurde der Trichter im Jahr 1805. Sein Name leitete sich von seinem außergewöhnlichen Dach ab – einem spitz zulaufenden Oktogon, das schon von Weitem ins Auge fiel. Ursprünglich war das Gebäude ein hölzerner Torpavillon in unmittelbarer Nähe des Millerntors. Wer das Stadttor passierte, um in der Vorstadt Zerstreuung zu suchen, konnte hier einkehren und sich mit kleinen Erfrischungen stärken.

Auch nachdem französische Besatzungstruppen den Trichter 1813 niedergebrannt hatten, blieb das charakteristische Dach das unverwechselbare Markenzeichen des Hauses. 1820 wurde der Trichter neu eröffnet: Das Dach erhielt gläserne Pfannen, die zuvor offene Veranda wurde geschlossen und beherbergte nun einen Billardsaal.

Umgeben war das Etablissement von einem weitläufigen Garten mit Tischen, Stühlen und lauschigen Lauben – beliebte Rückzugsorte für verliebte Paare. Nur wenige Laternen tauchten das Gelände abends in ein schummriges Licht und sorgten für eine intime Atmosphäre.

Im Inneren des Trichters flackerte der Schein von Öllampen auf reich verzierter Stuckatur. Mittelpunkt des Raumes war ein großer kupferner Kanonenofen, der nicht nur als Wärmespender, sondern auch als Prunkstück des Hauses diente. Auf ihm wurden Speisen und Getränke warmgehalten. Um den Ofen rankten sich allerlei Legenden: So hieß es, er habe einst dem bayerischen König Ludwig gehört, der während der Revolution von 1848 wertvolle Schätze darin an die Hamburger Bank geschickt habe. Auf verschlungenen Wegen sollen Ofen und Schatz schließlich bei der Trichter-Wirtin gelandet sein – eine Geschichte, die wohl eher der blühenden Fantasie von Witwe Metscher entsprang.

 

 

In den späten 1860er Jahren verkaufte sie den Trichter an den Gastronomen Theodor Mutzenbecher. Unter seiner Leitung wurde das Haus großzügig ausgebaut. Garten- und Promenadenkonzerte, Tanzveranstaltungen und artistische Darbietungen hielten Einzug – ganz im Stil der modernen Varietés, die damals in Frankreich und England Furore machten.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts übernahm Christian Hornhardt das Etablissement. Mit ihm begann die große Glanzzeit: Am 21. Dezember 1889 eröffnete der nun „Hornhardt’s Etablissement“ genannte Trichter neu. Besonders spektakulär war seine elektrisch beleuchtete Kuppel, die die Reeperbahn hell erstrahlen ließ und weithin sichtbar war.

In einer künstlichen Grotte spielte das Orchester, im Garten fanden rund tausend Gäste Platz. Ein Aussichtsturm bot beeindruckende Blicke über Elbe und Hafen. Doch nach etwa 20 Jahren erwies sich der Betrieb als zu kostspielig. Teile der Anlage wurden geschlossen, lediglich der Hauptsaal blieb als Speisewirtschaft erhalten. Neuer Eigentümer wurde Clausen, der den Trichter bis 1914 als Restaurant und Konzertsaal weiterführte.

Nach dem Ersten Weltkrieg geriet das Unterhaltungsgewerbe in eine tiefe Krise. Inflation und wirtschaftliche Not machten auch vor Clausens Konzerthaus nicht halt. Das Gebäude verfiel zusehends. 1926 wurde der Biergarten abgerissen und an seiner Stelle das Kino Schauburg St. Pauli errichtet. Der Betrieb erhielt zwar einen neuen Besitzer, kehrte aber zu seinem alten Namen zurück: Trichter-Varieté.

Die modernisierte Fassade leuchtete nun im Neonlicht. Internationale Stars der Zeit traten hier auf – darunter Anita Berber, die berüchtigte Femme fatale der Zwanzigerjahre, und Josephine Baker mit ihrem legendären Bananenröckchen. Selbst während des Zweiten Weltkriegs lief der Varietébetrieb weiter. In den Bombennächten des Juli 1943 wurde der Trichter schwer beschädigt, doch schon bald wieder notdürftig bespielt. Nach Kriegsende fanden Revueprogramme statt, im Keller entstand ein Jazzlokal, in dem sich die Jugend der Nachkriegszeit traf.

Das endgültige Ende kam in den späten 1950er Jahren. Mit dem Siegeszug des Fernsehens blieben die Besucher aus. 1958 schloss der Trichter seine Türen. Das Gelände blieb zunächst unbebaut, ehe 1969 die Astra-Bowlingbahn und das China-Restaurant Mandarin errichtet wurden. Von 1991 bis 2003 war hier der legendäre Mojo Club zuhause. 2009 wurde das Gebäude schließlich abgerissen.

Im September desselben Jahres begann der Bau der Tanzenden Türme und des Arcotel Onyx Hamburg, das 2012 fertiggestellt wurde. Das Hotel steht heute genau dort, wo einst der prunkvolle Hauptsaal des Trichters lag. Wieder markiert ein spektakuläres Bauwerk den Eingang zur „sündigen Meile“ – einst der hell erleuchtete Turm des Trichter-Varietés, heute die Tanzenden Türme.

In den Türmen hat der Bauherr STRABAG seinen Sitz. Im Sockelbereich laden mit BrewDog und dem Jazz Café zwei gastronomische Betriebe zum Verweilen ein – ganz in der Tradition eines Ortes, der seit über 200 Jahren für Unterhaltung und Lebenslust steht.

St. Pauli Unvergessen - Reliquien der Reeperbahn Tour

2 Stunden

Besuchen Sie mit den Machern des "Museums ohne Mauern" seltene Fundstücke aus der Geschichte der Reeperbahn, verteilt im Stadtteil. Sankt Pauli zum Anfassen.

Besuchen Sie mit den Machern des "Museums ohne Mauern" seltene Fundstücke aus der Geschichte der Reeperbahn, verteilt im Stadtteil. Sankt Pauli zum Anfassen.

Ab 29.00 € pro Person

Jetzt buchen

Kirchen, Grenzen und Tumult. St. Pauli im 17. und 18. Jahrhundert.

3 Stunden Noch nicht bewertet.

Vor 400 Jahren schlugen die Reepschläger ihre Hütten im heutigen St. Pauli auf: Die Veranstaltung (Vortrag und Tour) wirft ein Schlaglicht auf diese Zeit.

Vor 400 Jahren schlugen die Reepschläger ihre Hütten im heutigen St. Pauli auf: Die Veranstaltung (Vortrag und Tour) wirft ein Schlaglicht auf diese Zeit.

Ab 27.00 € pro Person

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Der Trichter

Dort, wo heute die markanten Tanzenden Türme und das Arcotel Onyx das Tor zur Reeperbahn markieren, befand sich über anderthalb Jahrhunderte hinweg ein legendärer Ort der Unterhaltung: der „Trichter“. Er gab der Straße „Beim Trichter“ ihren Namen und prägte das Vergnügungsleben St. Paulis nachhaltig.

Errichtet wurde der Trichter im Jahr 1805. Sein Name leitete sich von seinem außergewöhnlichen Dach ab – einem spitz zulaufenden Oktogon, das schon von Weitem ins Auge fiel. Ursprünglich war das Gebäude ein hölzerner Torpavillon in unmittelbarer Nähe des Millerntors. Wer das Stadttor passierte, um in der Vorstadt Zerstreuung zu suchen, konnte hier einkehren und sich mit kleinen Erfrischungen stärken.

Auch nachdem französische Besatzungstruppen den Trichter 1813 niedergebrannt hatten, blieb das charakteristische Dach das unverwechselbare Markenzeichen des Hauses. 1820 wurde der Trichter neu eröffnet: Das Dach erhielt gläserne Pfannen, die zuvor offene Veranda wurde geschlossen und beherbergte nun einen Billardsaal.

Umgeben war das Etablissement von einem weitläufigen Garten mit Tischen, Stühlen und lauschigen Lauben – beliebte Rückzugsorte für verliebte Paare. Nur wenige Laternen tauchten das Gelände abends in ein schummriges Licht und sorgten für eine intime Atmosphäre.

Im Inneren des Trichters flackerte der Schein von Öllampen auf reich verzierter Stuckatur. Mittelpunkt des Raumes war ein großer kupferner Kanonenofen, der nicht nur als Wärmespender, sondern auch als Prunkstück des Hauses diente. Auf ihm wurden Speisen und Getränke warmgehalten. Um den Ofen rankten sich allerlei Legenden: So hieß es, er habe einst dem bayerischen König Ludwig gehört, der während der Revolution von 1848 wertvolle Schätze darin an die Hamburger Bank geschickt habe. Auf verschlungenen Wegen sollen Ofen und Schatz schließlich bei der Trichter-Wirtin gelandet sein – eine Geschichte, die wohl eher der blühenden Fantasie von Witwe Metscher entsprang.

 

 

In den späten 1860er Jahren verkaufte sie den Trichter an den Gastronomen Theodor Mutzenbecher. Unter seiner Leitung wurde das Haus großzügig ausgebaut. Garten- und Promenadenkonzerte, Tanzveranstaltungen und artistische Darbietungen hielten Einzug – ganz im Stil der modernen Varietés, die damals in Frankreich und England Furore machten.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts übernahm Christian Hornhardt das Etablissement. Mit ihm begann die große Glanzzeit: Am 21. Dezember 1889 eröffnete der nun „Hornhardt’s Etablissement“ genannte Trichter neu. Besonders spektakulär war seine elektrisch beleuchtete Kuppel, die die Reeperbahn hell erstrahlen ließ und weithin sichtbar war.

In einer künstlichen Grotte spielte das Orchester, im Garten fanden rund tausend Gäste Platz. Ein Aussichtsturm bot beeindruckende Blicke über Elbe und Hafen. Doch nach etwa 20 Jahren erwies sich der Betrieb als zu kostspielig. Teile der Anlage wurden geschlossen, lediglich der Hauptsaal blieb als Speisewirtschaft erhalten. Neuer Eigentümer wurde Clausen, der den Trichter bis 1914 als Restaurant und Konzertsaal weiterführte.

Nach dem Ersten Weltkrieg geriet das Unterhaltungsgewerbe in eine tiefe Krise. Inflation und wirtschaftliche Not machten auch vor Clausens Konzerthaus nicht halt. Das Gebäude verfiel zusehends. 1926 wurde der Biergarten abgerissen und an seiner Stelle das Kino Schauburg St. Pauli errichtet. Der Betrieb erhielt zwar einen neuen Besitzer, kehrte aber zu seinem alten Namen zurück: Trichter-Varieté.

Die modernisierte Fassade leuchtete nun im Neonlicht. Internationale Stars der Zeit traten hier auf – darunter Anita Berber, die berüchtigte Femme fatale der Zwanzigerjahre, und Josephine Baker mit ihrem legendären Bananenröckchen. Selbst während des Zweiten Weltkriegs lief der Varietébetrieb weiter. In den Bombennächten des Juli 1943 wurde der Trichter schwer beschädigt, doch schon bald wieder notdürftig bespielt. Nach Kriegsende fanden Revueprogramme statt, im Keller entstand ein Jazzlokal, in dem sich die Jugend der Nachkriegszeit traf.

Das endgültige Ende kam in den späten 1950er Jahren. Mit dem Siegeszug des Fernsehens blieben die Besucher aus. 1958 schloss der Trichter seine Türen. Das Gelände blieb zunächst unbebaut, ehe 1969 die Astra-Bowlingbahn und das China-Restaurant Mandarin errichtet wurden. Von 1991 bis 2003 war hier der legendäre Mojo Club zuhause. 2009 wurde das Gebäude schließlich abgerissen.

Im September desselben Jahres begann der Bau der Tanzenden Türme und des Arcotel Onyx Hamburg, das 2012 fertiggestellt wurde. Das Hotel steht heute genau dort, wo einst der prunkvolle Hauptsaal des Trichters lag. Wieder markiert ein spektakuläres Bauwerk den Eingang zur „sündigen Meile“ – einst der hell erleuchtete Turm des Trichter-Varietés, heute die Tanzenden Türme.

In den Türmen hat der Bauherr STRABAG seinen Sitz. Im Sockelbereich laden mit BrewDog und dem Jazz Café zwei gastronomische Betriebe zum Verweilen ein – ganz in der Tradition eines Ortes, der seit über 200 Jahren für Unterhaltung und Lebenslust steht.

St. Pauli Unvergessen - Reliquien der Reeperbahn Tour

2 Stunden

Besuchen Sie mit den Machern des "Museums ohne Mauern" seltene Fundstücke aus der Geschichte der Reeperbahn, verteilt im Stadtteil. Sankt Pauli zum Anfassen.

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3 Stunden
Noch nicht bewertet.

Vor 400 Jahren schlugen die Reepschläger ihre Hütten im heutigen St. Pauli auf: Die Veranstaltung (Vortrag und Tour) wirft ein Schlaglicht auf diese Zeit.

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