Das Alkazar – Glanz, Technik und Sensationen
1926 eröffnete Arthur Wittkowski im Gebäude der ehemaligen Hansa-Bierhallen ein neues Varieté: das Alkazar. Von Anfang an legte er großen Wert darauf, seinem Publikum die modernste Unterhaltungstechnik zu präsentieren. Nach einem umfassenden Umbau entstand in der Saalmitte eine versenkbare Hebebühne, die sich innerhalb weniger Minuten in eine Eisfläche, einen Tanzboden oder sogar ein Wasserbecken verwandeln ließ. Von der Decke konnte zudem ein Leuchter mit Wasserfontänen herabgelassen werden, um den sich leicht bekleidete Tänzerinnen effektvoll gruppierten.
Im Alkazar traten internationale Stars auf – darunter Anita Berber, die mit ihren „Tänzen der Ekstase“ zu den Ikonen der 1920er Jahre zählte. Wittkowskis Leitmotiv „Jede Viertelstunde eine Sensation – und in den Pausen keine Pausen“ wurde Abend für Abend bis vier Uhr morgens eingehalten und bescherte ihm volle Säle und klingende Kassen.
Das Alkazar in der Zeit des Nationalsozialismus
Nach der Machtübernahme 1933 geriet Wittkowski rasch in Konflikt mit der NSDAP. Intrigen und Denunziationen führten schließlich dazu, dass er aus seinem eigenen Unternehmen gedrängt wurde. Ein neuer Direktor – im nationalsozialistischen Sprachgebrauch „Betriebsführer“ – wurde eingesetzt: Georg Leopold.
1936 musste das Varieté seinen Namen ändern. Der „Alkazar von Toledo“, Schauplatz eines wichtigen Gefechts im Spanischen Bürgerkrieg, war für die Faschisten zum Symbol geworden – und nach einer Niederlage sollte keine Vergnügungsstätte mehr diesen Namen tragen. Ein Preisausschreiben brachte schließlich den neuen Titel hervor: „Allotria“ – vielleicht angelehnt an den im selben Jahr erschienenen Film mit Heinz Rühmann. Praktisch blieb der neue Name, weil er weiterhin weit oben im Telefonbuch stand und somit leicht gefunden wurde.
Trotz Krieg blieb der Betrieb geöffnet. Das Programm wurde zwar etwas zahmer als vor 1933, doch weiterhin gab es Nacktdarbietungen und Kapellen, die „heiße Musik“ spielten – Swing, der mit ein paar umgeschriebenen Noten als „eingedeutschte Variante“ durchging.
Nachkriegszeit und Niedergang
Das Gebäude überstand Krieg und Bombardements nahezu unbeschadet. Doch Ende der 1950er Jahre, als das Wirtschaftswunder seinen Höhepunkt erreichte und die Menschen ihr Geld zunehmend in Konsumgüter – allen voran Fernseher – investierten, gerieten viele Varietéhäuser in eine Krise. Auch das Allotria hielt dem Wandel nicht stand und schloss 1958. Im selben Jahr gab auch sein großer Konkurrent, das Trichter-Varieté an der Reeperbahn 1, auf.
Heute befindet sich an jener Stelle, an der Anita Berber ekstatische Tänze aufführte, mutige Artisten riskante Sprünge wagten und Heidi Kabel ihre Lieder sang, eine Filiale der Supermarktkette Penny.



